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Gian Häne, Kunst am Bau. Textbeiträge

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Gian Häne: inside out. 2020, edescha-art, Chur

Textbeitrag von Judith Annaheim

Beitrag zu Kunst im öffentlichen Raum: SIGA Innovations Zentrum Schachen, Luzern

Ausgangslage
Das international tätige Familienunternehmen SIGA baute 2017–2019 seinen Standort Schachen / Luzern aus. Noch während des Bauprozesses wurde das Kunstkonzept einbezogen. Der Vision von Reto und Marco Sieber folgend, hat Gian Häne Natur und Klimawandel zum Thema seiner künstlerischen Intervention gemacht.

Das Tor der Transformation durchschreiten
In ihrem Neubau gibt die SIGA der Kunst einen prominenten Platz: den Eingangsbereich. Dieser bildet einen eigenen Raum, der dem Gebäude vorgelagert auch ausserhalb der Arbeitszeiten betreten werden kann.

Anregung zum realisierten Werk war eine von Gian Hänes früheren Arbeiten, das Portal Sechzehnfünfundreissig, das er 2009 an der Rössligasse 12 in Luzern ortsspezifisch aufbaute. Das Tor als Symbol für Übergang und Öffnung hat die SIGA-Eigentümer Reto und Marco Sieber dazu inspiriert, den Eingangsbereich künstlerisch gestalten zu lassen. Denn sie wollen Übergänge mitgestalten, beispielsweise denjenigen des Klimawandels.

Ganz im Sinn des Innovationszentrums, beschritt auch Gian Häne neue Wege für seine künstlerische Intervention. Dabei war es Glück und Herausforderung zugleich, dass das Gebäude noch am Entstehen war. So ist sein Werk auch nicht ein Bild an der Wand, sondern in der Wand. Ein Betonguss, basierend auf einem Holzschnitt, dessen Linien und Furchen mit der Mauer eine Einheit bilden.

Entscheidung zwischen den Zeiten
Das Werk entfaltet seine Kraft im Spannungsfeld zwischen zwei Bildern. Wer das Gebäude betritt, wird vom wohlvertrauten Bergpanorama des Pilatus empfangen und hineingeleitet. Gegenüber und beim Verlassen des Gebäudes kommt eine überschwemmte Flusslandschaft ins Blickfeld.

Beide Bilder laufen als Band über eine Ecke. Die Darstellung des Pilatus erfolgt jedoch in einem höheren Format, das einen touristisch distanzierten Blick auf das scheinbar unerschütterliche Bergmassiv erlaubt. Der Fluss hingegen und der dahinter liegende Horizont werden von den im Sturm gebeugten oder gar geknickten Bäumen überlagert, der Betrachter ist innerhalb des schmalen Gesichtsfelds der Dynamik der Ereignisse ausgesetzt.

Der Fluss ist nicht irgendwo, sondern die Kleine Emme, an deren Ufer sich das SIGA Zentrum befindet, und wo auch Gian Häne in Studienzeiten sein Atelier hatte. Dieses wurde 2005 während seines Aufenthalts in Australien überschwemmt; der Luzerner Schwanenplatz – sonst Treffpunkt für Touristen, die die Aussicht auf den Pilatus geniessen – stand meterhoch unter Wasser…

Zusammen umfassen die beiden Wandreliefs den Raum und sprechen dort, wo Mitarbeiter und Kunden ein- und ausgehen, von der Veränderung, die in der Natur nicht erst heute, sondern seit ewigen Zeiten stattfindet.

Zwischen den Zeugen des Klimawandels und der intakten oder scheinbar intakten Natur sieht sich der Mensch vor der Entscheidung, nur Zuschauer zu sein oder Verantwortung zu übernehmen.

Bei der SIGA hat man sich schon längst entschieden: Die Klebstoffe, Klebebänder und Membranen, die dort seit 1966 produziert werden, tragen dazu bei, dass Wohn- und Gewerbegebäude dichter und somit umweltfreundlicher werden. Denn Gebäude verbrauchen 50% des weltweiten Energiebedarfs – vor allem für das Heizen und Kühlen.

Aus einem Guss
Gian Hänes Werk integriert sich in einen Kontext, in dem Innovation und Nachhaltigkeit auch in der Architektur zum Ausdruck kommen: Der grösste Teil der Aussenfassade und die Decke des Eingangsbereichs wurden aus dem Holz des ehemaligen Gebäudes erstellt. Vor dem Haus befinden sich sechs Ladestationen für Elektroautos; die Photovoltaik-Zellen in den Glasscheiben des Treppenhauses kontrastieren durch den technischen und hochmodernen Anblick mit der Holzfassade.

Holzschnitte, wie sie Gian Häne seit vielen Jahren schafft, sind auch die Basis für seinen künstlerischen Beitrag bei der SIGA. In Tuschmalerei auf rohes MDF entworfen, sind die beiden Bilder in ca. drei Monaten Holzschnittarbeit entstanden. Mit der Umsetzung in Beton hat Gian Häne Neuland betreten. Er konnte dabei auf die Unterstützung von Pascal Kunz zählen, Berufsverantwortlicher der Maurerinnen und Maurer des gewerblich-industriellen Bildungszentrums Zug. Eine Negativform des Holzschnitts musste hergestellt werden. Die Recherche zu Art, Dicke und Gewicht des Betons war anspruchsvoll, bevor die Reliefs als Einheit mit der Wand gegossen werden konnten.

Die Gestaltung des gesamten Eingangsbereichs ist auf die Kunst am Bau abgestimmt. Nur wenn nicht genügend Tageslicht vorhanden ist, geht das künstliche Licht an. Die verschiedenen Lichtquellen lassen so die dreidimensionale und taktile Qualität des Reliefs unterschiedlich hervortreten. Im Austausch mit Lichttechnikern und Architekten wurde zudem ein Anstrich für die Bilder gewählt, der die Optik des rohen Betons möglichst erhalten, aber die Zeichnung deutlicher machen konnte.

Vom Entwurf bis zur Realisierung verging ein Jahr. In diesem komplexen Projekt war für Gian Häne auch die Begleitung durch Beda Schlumpf äusserst wertvoll, der ihn in der Koordination der Arbeitsschritte und in Verhandlungen unterstützte.

Das SIGA Innovationszentrum wurde im September 2019 eröffnet.